Als wir 2002 auf Heimataufenthalt in Deutschland waren meinte mein Hausarzt, Deutschland wäre auf dem Weg zum Entwicklungsland. Ich wollte ihm damals nicht so recht glauben. Seit 2006 wohnen wir wieder im Ländle – und ich verstehe immer besser, was er meint. Ich fürchte, er könnte Recht haben…
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Es ist zum Heulen… |
Neuster Akt: Kürzlich beschloss der Rottweiler Kreistag die Kliniken im Landkreis an den Helios-Konzern zu verkaufen. Einen Konzern, der keinen Hehl daraus machte im Falle eines Zuschlags das Krankenhaus in Schramberg zu schließen und rund 350 Arbeitsplätze zu vernichten. Das absolut Unverständliche an dieser Entscheidung ist, dass es noch einen weiteren Bieter mit einem anderen Konzept gab. Der andere Bieter, der Konzern Ameos, hätte das Schramberger Krankenhaus zusammen mit Rottweil weiter betrieben und die Arbeitsplätze erhalten. – Leider kann keiner der Kreisräte, die für Helios gestimmt haben, verständlich begründen, warum diese Variante besser sein soll. Einer davon meinte sogar, dass ihn die 350 Arbeitsplätze nicht interessieren würden… 😦
Bei uns in der Region Schramberg hat diese Entscheidung des Kreistags ziemliches Entsetzen ausgelöst. Auch bei mir! – Das derzeitige Krankenhausgebäude wurde
1965 in Betrieb genommen, 1966 gehörte ich zur ersten Generation von Kindern, die dort geboren wurden. Zwei meiner Kids kamen dort ebenfalls zur Welt und meine beiden Omas sind dort verstorben. Meine Schwester hat dort ihre Ausbildung als Krankenschwester absolviert und ist seither dort tätig. Und nun soll das Krankenhaus einfach stillgelegt und eine Bauruine zurückgelassen werden? – Doch mein Entsetzen hat nicht nur nostalgische Gründe:
Unsere Raumschaft liegt am westlichen Rand des Landkreises Rottweil und grenzt an die Landkreise Villingen-Schwenningen und Offenburg an. Sie liegt am Rande des mittleren Schwarzwaldes in einer schönen aber topografisch schwierigen Lage. Die nächstgelegenen Krankenhäuser sind ca. eine halbe Autostunde entfernt – im Winter dauert die Fahrt u.U. wesentlich länger. Für uns als Bevölkerung (ca,.35.000 Menschen in der Region) würde das aber nicht nur eine längere Fahrtzeit bedeuten, sondern eine generelle Verschlechterung der medizinischen Versorgung – insbesondere im Notfall. Es gibt zwar einen
Notarzt-Standort in Schramberg, aber bei Notfällen wäre nicht nur ein weiterer Weg in die Klinik (mit entsprechenden Risiken für den Patienten) zurückzulegen, sondern auch die Einsatzzeit des Dienst habenden Arztes würde sich wesentlich verlängern. Tritt zur selben Zeit ein weiterer Notfall auf, müsste diesen ein Notarzt aus dem Nachbarbezirk –, sofern er nicht selbst gerade einen Einsatz hat – mit längerer Anfahrtszeit übernehmen. Dabei besteht die Gefahr, dass Menschenleben zu Schaden kommen. Eine Gefahr, die durch die getroffene Entscheidung bewusst in Kauf genommen wird! Es ist schon traurig, dass inzwischen wirtschaftliche Gründe und Gewinnmaximierung unsere Gesellschaft und auch das Gesundheitswesen derart dominieren – und dabei Menschen und die Menschlichkeit immer mehr auf der Strecke bleiben. Wenn es im Fall des Schramberger Krankenhauses keine Alternative gegeben hätte, dann wäre das ja noch einigermaßen verständlich – wie eine bittere Pille, die man halt eben schlucken muss. Nur, in diesem Fall gab es eine ganz klare Alternative, die das Krankenhaus und die Arbeitsplätze erhalten hätte!
Inzwischen hat sich eine Bürgerinitiative „Pro Region Schramberg“ gebildet, die sich für den Erhalt des Mittelbereichs Schramberg – und insbesondere für den Erhalt des Krankenhauses einsetzt. Heute fand eine erste Kundgebung der Bürgerinitiative auf dem Rathausplatz in Schramberg statt, an der viele Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Schramberg und Umgebung (selbstverständlich auch aus Hardt!) teilnahmen.
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Kundgebung der Bürgerinitiative „Region Pro Schramberg“ am 14. März |
Wer der Bürgerinitiative beitreten möchte, findet im Internet eine Betrittskarte, die er ausfüllen und einsenden kann. Es bleibt nur zu hoffen, dass das Regierungspräsidium Freiburg und/oder das Landgericht Stuttgart (wo Ameos inzwischen Klage eingereicht hat), die Entscheidung des Kreistages kippen. Gerade auch angesichts der älter werdenden Bevölkerung in der Region und des dadurch steigenden Bedarfs an Krankenhausplätzen in den kommenden Jahrzehnten wäre dies dringend geboten. – Es sei denn, man möchte die Leute durch eine schlechtere medizinische Versorgung schneller ins Jenseits befördern… – ganz im Sinne der „Wirtschaftlichkeit“, um weitere Kosten im Gesundheits- und Pflegebereich zu sparen.
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Verschlagwortet mit Krankenhaus Schramberg